Nikola Tesla – nein, er baut keine Elektroautos in Kalifornien!

Belgrad, Serbien

29. Reisetag

1993 Kilometer

Er war ein Genie, er hat mit seinen Erfindungen unsere heutige Welt geprägt wie kaum ein anderer, er hat den Nobelpreis abgelehnt, er war etwas schräg, er ist weitgehend unbekannt und er ist auf dem serbischen 100 Dinar Schein: Nikola Tesla.

Ich oute mich hier mal als Ingenieur der Elektrotechnik und von daher war mir Tesla als eine Einheit für die magnetische Flussdichte bekannt. Ein großer Fan dieses eigensinnigen Menschen wurde ich aber erst, als ich vor ca. 30 Jahren eine Biographie über ihn las.

Er wurde in Serbien geboren, ist dann aber irgendwann in die USA ausgewandert und hat dort die meiste Zeit seines Lebens verbracht. Auch die Serben haben ihn 100 Jahre lang verschlafen, jetzt ist er hier ein Star. In Belgrad haben sie ihm ein eigenes Museum eingerichtet.

Etwas vereinfacht zwei seiner Großtaten.
Tesla hat wie Edison an der Elektrifizierung gearbeitet. Vorher gab es nur Kerzenlicht. Edison setzte auf Gleichstrom, Tesla erfand den Wechselstrom. Durchgesetzt hat sich der Wechselstrom, gibts in jedem Haus und alle unsere Geräte laufen damit. Die beiden sollten gemeinsam den Nobelpreis erhalten. Tesla, der sich als Genie verstand, lehnte ab, er wolle ihn nicht mit einem simplen Erfinder und Tüftler teilen. Somit ging auch Edison leer aus. Der dürfte sich mehr geärgert haben.
Tesla erfand auch die Radiowellen. Den Nobelpreis dafür erhielt der Engländer Marconi. Erst viel später, nach seinem Tode, wurden die zugrundeliegenden 17 Patente Tesla zuerkannt. Der Nobelpreis wird posthum nicht verliehen, so wurde eine physikalische Einheit nach Tesla benannt. Das gab es weder für Edison noch für Marconi.

Das Museum in Belgrad ist sehr schick, aber recht klein. Es gibt kontinuierlich Filme und Führungen. Sehr schön, denn sonst wären die Exponate für die meisten Besucher unverständlich. Und ich habe auch noch etwas gelernt, das ich sehr lustig fand.

Zur Demonstration seiner Radiowellen baute Tesla das erste Schiffsmodell mit drahtloser Fernsteuerung überhaupt. Er lies es 1898 in New York auf einem See im Central Park zu Wasser. Die Fernsteuerung ein riesiges Pult. Für die Zuschauer war es unbegreiflich, dass der Kahn wie durch Zauberhand gesteuert wurde. Das Radio war zu dieser Zeit schließlich noch nicht erfunden! Einige Skeptiker stiegen tatsächlich ins Wasser um die dort angeblich verborgenen Steuerdrähte zu suchen.

Vergebens!

Beim Devisendealer meines Vertrauens

Novi Sad, Serbien

27. Reisetag

1809 Kilometer

Samstagvormittag in Novi Sad. Ich fahre erst mittags weiter und habe so Zeit, mir die recht schöne Alt- und Innenstadt anzusehen. Anscheinend ist sowas wie Bienenmarkt, bestimmt vierzig Stände nur mit Produkten rund um Honig, Honigherstellung, Bienenwachs, usw. .
Außerdem fallen mir die endlosen Tische der Außengastronomie auf. Die kriegen die doch nie voll, denke ich, aber später am Mittag ist wirklich kaum noch ein Platz zu bekommen.

Jetzt bemerke ich, dass sogar die Banken geöffnet haben. Samstags! Nicht schlecht, denn ich habe noch 3.500 ungarische Forint übrig, die ich mal eben in Serbische Dinar tauschen könnte. Immerhin ein Kapital von ca. zwölf Euro. Hier in Serbien gibt es, wie auch schon in Ungarn, Tschechien und Kroatien, einen Ableger der österreichischen Sparkassen, nennt sich “Erste”. Da geh ich rein. Kurze Schlange, dann bin ich dran. Ich präsentiere meine drei Scheine und bitte um Umtausch. Die Angestellte lächelt freundlich amüsiert. “Forint? Nein, also wirklich! Die tauschen wir nicht um. Nur Euro, Dollar, Yen, etc., aber doch keine Forint.” Ich komme mir vor, als wenn ich ihr aus Versehen Monopoly-Scheine untergejubelt hätte, dabei handelt es sich doch um die Währung eines direkten Nachbarlandes von Serbien!
Ab zur nächsten Bank. Western Union, die werben draußen mit Exchange.
“Eimal Dinar für Forint bitte.” Gleiches erheiterndes Ergebnis.
“Wo denn dann?”
“Da drüben vielleicht!”, sie weist in eine kleine, dunkle Passage. Dort gäbe es eine Wechselstube. Na gut, wenn’s denn gar nicht anders geht. Bei der “Stube” handelt es sich um ein winziges runtergekommenes Kabuff, dass man nicht betreten kann (und ganz sicher auch nicht möchte). Bedient wird hinter einer Scheibe, die erstens völlig schmierig und zweitens zugepflastert ist mit allen möglichen Aufklebern. Den bestimmt gut geschulten Servicemitarbeiter kann man bestenfalls erahnen, sehen kann man ihn nicht. Mir völlig unerfindlich, warum der persönliche Kontakt an dieser wichtigen Kundenschnittstelle nicht praktiziert wird. Hier würde ich mich doch glatt noch zum Kauf einer Versicherung oder einer garantiert sicheren Geldanlage überreden lassen!

Egal, sein Wohlverdientes schiebt man durch ein kleines Fenster in ein schwarzes Loch, ohne wirkliche Hoffnung auf Wiederkehr. Auch meine drei Scheine (2000, 1000 und 500) erleiden dieses Schicksal. Zu meiner Überraschung kommt der 500-er sofort wieder raus. Man kennt das von Ticket- oder Parkautomaten. Bei Nichtgefallen spucken die einem den gerade erst mühsam eingeführten Schein mit affenartiger Geschwindigkeit gleich wieder aus. Aber verglichen mit dieser Aktion hier, arbeiten unsere Automaten in Superzeitlupe.
Na gut, denke ich mir, umdrehen und wieder rein damit. Bei uns funktioniert das ja häufig. Gerade will ich den Schein nehmen, da streckt sich aus dem Fenster ein Zeigefinger heraus. Dieser bewegt sich erst mehrfach von links nach rechts und von rechts nach links, um anschließend entschieden auf eine kleine Macke in dem Schein zu zeigen. Danach nimmt er wieder seine Winke-Winke-Bewegung auf um schlussendlich auf Nimmerwiedersehen im schwarzen Loch zu verschwinden. Verstanden. Eine Diskussion halte ich schnell für aussichtslos. Ich nehme also meine Beute in Dinar und verabschiede mich ohne Handschlag.

Aber was mache ich nun mit dem 500-Forint-Schein, der immerhin um die 1,70 Euro wert ist? Völlig klar, den bringe ich mit nach Hause zurück. Dann gehe ich damit zu meiner Hausbank. Und wenn die den nicht umtauschen wollen, dann mache ich aber sowas von die Welle.
“Wie bitte, den akzeptieren Sie nicht? Hör’n se mal, selbst in Serbien wird der von jeder Provinzbank an jeder Ecke getauscht und Sie stellen sich so an? ICH KÜNDIGE MEIN KONTO!”
Das wird lustig!

PS.
Aus sicherer Quelle habe ich hier erfahren, dass der Forint-Kurs in Kürze durch die Decke geht. Ich bin also so gut wie saniert.

In Bratislava gibt es sie noch, die alten Geräusche.

Bratislava, Slowakei

19. Reisetag

1134 Kilometer

Fährt man von Österreich kommend nach Bratislava, fällt zu allererst auf, dass gleich zwei Autobahnen über Brücken die Donau queren. Offensichtlich ist das hier ein wichtiger Ost/West-Knotenpunkt, denn beide Schnellstraßen sind stark befahren und ein Spaghettiknoten unterstreicht die Bedeutung auf nicht gerade ansehnliche Weise. Glücklicherweise ist man als Radfahrer davon unbetroffen, denn der Fahrradweg führt abseits der Straßen und die verwendete Brücke verfügt über zwei Etagen, oben die Autos, unten das Fußvolk.

Anschließend landet man auf einer im “heutigen” Stil neu gestalteten Donaupromenade , sprich coole Lounges und Bars, Glaspaläste mit sicher sündhaft teuren Appartements, alles vom Feinsten. Kennen wir auch aus der Heimat zu Genüge.

Dann kommt die historische Altstadt, zu Beginn hat sie etwas mondänes, einen breiten, schönen Boulevard, der nur Fußgängern offen steht und standesgemäß an einem Hotel Carlton endet. Sowas hatte ich hier nicht erwartet. Düsseldorfer Kö oder Berliner Unter den Linden ist die passende Kategorie, nur dürfen in B. und D. leider auch Autos fahren. Die Altstadt ist bestens restauriert, sehr schön und wirklich sehenswert.

Doch sofort fällt mir hier was ganz Eigentümliches auf. Ein Geräusch, das ich noch aus meinen Kindertagen kenne. Man hört es ganz nah und aus der Ferne. Man hört es aus allen Himmelsrichtungen. Man hört es mal laut, mal leise. Man hört es mal lang und mal kurz. Und ich weiß sofort, was ist. Es sind die Straßenbahnen! Sie haben hier noch die schönen alten Dinger, die beim Durchfahren von Kurven Geräusche machen. Diese rühren daher, dass die alten Bahnen noch komplett starre Achsen haben. Beim Durchfahren der Kurven reiben deshalb die Räder an den Rändern der Schiene und verursachen so diese Töne. Neuere Bahnen haben bewegliche Achsen, die sich den Kurven anpassen und dadurch keine Kurvengeräusche mehr erzeugen. Die entstehenden Kompositionen sind sehr interessant, denn sie hängen von so vielen Faktoren ab, als da sind: das Wetter, die Jahreszeit, die Geschwindigkeit der Bahn, der Zustand der Räder und der Schienen, Gewicht, Länge, Beladung, usw. Mal sind die Töne hell, mal dunkel, mal unterbrochen, mal nicht. Manchmal ändern sie ihre Frequenz abrupt, manchmal langsam, manchmal gar nicht. So entstehen durch diese alte Technik immer wieder neue Symphonien.
Gaby und ich waren vor ca. sechs Jahren mal in Erfurt. Da fuhren auch noch die alten Schätzchen rum, mit gleichen Konsequenzen. Monate später las ich irgendwo, dass die Erfurter Straßenbahnen durch neue ersetzt werden sollten.
Daraufhin hat sich tatsächlich und erfreulicherweise eine Initiative gegründet, mit dem Ziel, dies zu verhindern. Die alten Bahnen, sowie die durch sie erzeugten Melodien gehören zum Kulturgut dieser schönen Stadt. Ich weiß leider nicht, wie die Sache ausgegangen ist, aber ich befürchte, nicht gut.

 

Tschechien lohnt sich – wirklich!

Drosendorf, Österreich

16. Reisetag

948 Kilometer

Mit Wehmut verlasse ich das schöne Tschechien, in dem es noch soviel zu entdecken gäbe. Ich bin durch eine wunderschöne, für den Radler anstrengende Landschaft gefahren mit vielen böhmischen Dörfern, hübschen mittelalterlichen Innenstädten, schmucken Burgen und Schlössern. Überall gibt es ausgezeichnetes Bier und eine sehr gute Küche, meist mit viel Fleisch und allen Arten von Knödeln. Mit Gemüse hat er es allerdings nicht so, der Tscheche. Nur Brechbohnen, die mag er, die bekommt man fast überall. Die Infrastruktur für Reisende ist perfekt, nette Pensionen, Versorgungsmöglichkeiten allerorten. Und ja, man findet leider auch viel Heimisches, was man eigentlich gerne zuhause zurückgelassen hätte, wie Lidl, Netto, Kik und Kaufland. Auch DM und Rossmann helfen mit bekannten Produkten.

Begeistert haben mich die allerorts freundlichen Menschen. Hier ein paar kleine Erlebnisse von vielen.

In Chodovar besteht die junge Dame an der Rezeption darauf, mein Fahrrad im Waschkeller unterzubringen, obwohl ich doch mit einem Platz im bewachten Innenhof mehr als zufrieden war. Auch wenn das Fahrrad einer Reinigung dringend bedurft hätte, war ich doch froh, dass sie es nicht in die Waschmaschine gesteckt haben.

Der Straßenbahnfahrer in Pilsen, der mein Herz hüpfen lies. Das war mir einen eigenen Reisebericht wert.

In Jindřichův Hradec klingele ich an einer Fahrradpension. Nichts passiert. Ein netter Tscheche, der dies offensichtlich beobachtet hat, kommt herbei und ruft kurzerhand die Telefonnummer an, die unter der Klingel angegeben ist. Nach kurzem Gespräch erklärt er mir, dass die Pension die Saisoneröffnung verschoben hat, weil bei diesem Wetter ja doch kein Radfahrer käme. Wir lachen herzlich.

Ich lande also in einer anderen Pension. Dort gibt es einen kleinen Innenhof, in den ich mein Fahrrad stellen kann. Abends esse ich im Restaurant der Pension. Da kommt ein Angestellter und teilt mir mit, dass es in der Nacht schneien werde. Ich müsse mir aber keine Sorgen machen, sie würden das Fahrrad nachher reinholen, wenn das Restaurant zu macht. Und wirklich, morgens steht mein Fahrrad mitten im Restaurant. Wie besorgt alle um meinen fahrbaren Untersatz sind!

Auf der Fahrt nach Slavonice holt mich Milos auf seinem Mountainbike ein. Ein sympathischer Kerl, 53 Jaher alt und fit. Er interessiert sich für meine Tour und so fahren wir einige Kilometer zusammen und quatschen. Er erzählt mir unter anderem von dem tschechischen Kanada, welches wir gerade durchfahren. Als sich unsere Wege wieder trennen, fotografieren wir uns gegenseitig und tauschen Email- Adressen aus.

Und zum Schluss noch etwas, was ich unglaublich gerne mit den Tschechen zusammen erlebt hätte.
Die Tschechen sind ja auf verrückte Art und Weise Eishockey-begeistert. Wenn irgendwo ein Fernseher läuft, ob zum Frühstück oder abends, immer läuft Eishockey. Und sie sind mit Herz und Seele dabei. Da erinnere ich mich, wie es in meiner Jugend zwei Sportereignisse gab, die wir nie verpassen durften, für die wir sogar nachts um drei aufstanden. Nämlich wenn Muhammad Ali boxte und wenn die Tschechen bei Olympia oder bei Weltmeisterschaften als Underdogs gegen die übermächtige Sowjetunion im Eishockey spielten. So ein Spiel, natürlich mit den Tschechien als Sieger, bei tschechischem Bier in einer tschechischen Kneipe mit den Tschechen live erlebt zu haben, das muss unglaublich gewesen sein!

Grüße aus dem nahen Kanada

Drosendorf, Österreich

16. Reisetag

948 Kilometer

Am letzten Tag meines Aufenthaltes in Tschechien warten noch einige Highlights auf mich. Zuerst fahre ich durch das tschechische Kanada. So nennen sie hier die recht dünn besiedelte Gegend im Süden der Republik. Und in der Tat, man kommt sich sofort nach Kanada versetzt vor. Weitläufige Landschaft, viel Wald, viel Schnee! Nicht mehr bergig, sondern sanft hügelig, schön zum Radfahren.

Dann kommt Slavonice. Der Loneley Planet Reiseführer meint zu Recht, jedes Land würde sich glücklich schätzen, so eine Stadt zu besitzen. Hier wird man direkt ins Mittelalter, in die Renaissance, gebeamt. Unglücklicherweise befindet sich diese Perle in einem etwas vernachlässigten Zustand, wahrscheinlich weil sie im touristisch nicht erschlossenen Grenzgebiet angesiedelt ist. Wirklich schade. Einen Besuch ist dieser Ort auf jedem Fall wert, einen Aufenthalt über Nacht habe ich mir aber dann doch erspart.

Zum Schluss folgt meine Route noch dem ehemaligen Eisernen Vorhang. Immer wieder ergreifend, sich an solch geschichtsträchtigen Orten zu bewegen. Vor nicht allzu langer Zeit noch undurchdringlich, heute biegt man mal eben kurz ab und schon ist man in Österreich.

Eigentlich hatte ich Österreich ja gar nicht auf meiner Reiseroute. Mein Plan war, von Tschechien direkt in die Slovakei einzureisen. Doch auf der Suche nach einer Unterkunft, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, diese Grenze mal zu überqueren. Und so verlasse ich plötzlich und ungeplant Tschechien, ohne mich so richtig von den mir ans Herz gewachsenen Tschechien verabschiedet zu haben. Da bin ich schon etwas traurig.

Bimmelbammel

Milevsko, Tschechien

13. Reisetag

791 Kilometer

Im Ranking der nettesten Berufsfahrzeugführer liegen bei Gaby und mir unzweifelhaft die Iren ganz vorn. Witzige und singende Taxifahrer, sowie ausnehmend freundliche und hilfsbereite Dubliner Busfahrer sind schwer zu toppen.
Im Ranking um den liebenswürdigsten Straßenbahnfahrer werfe ich hiermit einen Tschechen ins Rennen.
Aus Pilsen heraus fahre ich auf einer größeren Ausfallstraße. Hier fährt die Straßenbahn nicht in der Straßenmitte, sondern am Rand, sozusagen direkt neben dem Bürgersteig. Um dem Autoverkehr zu entgehen, nutze ich kurzerhand diese Straßenbahntrasse für meine Fahrt. Plötzlich klingelt es hinter mir. Unbemerkt hat sich eine Straßenbahn genähert und verlangt nun ihr Wegerecht. Schnell strecke ich meine rechte Hand aus und nehme die nächste “Ausfahrt” auf den Bürgersteig. Schuldbewußt und entschuldigend schaue ich den Fahrer an, als er mich überholt. Der aber lächelt nur herzlich und nickt mir freundlich winkend zu. Und um noch eins draufzusetzen, drückt er auf einen Knopf und läßt seine alte Bahn für mich aufmuntert bimmeln. Ist das nicht schön?
Mein Herz hüpft.

Das Vier-Generationen-Café

Pilsen, Tschechien

12. Reisetag

696 Kilometer

In Stribro kehre ich mittags im modernen Café Orange ein. Es hat eine Spielecke, in der sich ein Kind vergnügt und hinter der Theke stehen drei Damen, alle ca. 20 bis 25 Jahre auseinander. Die “mittlere” Dame scheint bemerkt zu haben, wie es in meinem Kopf werkelt und sagt ohne Umschweife: “Kind, Mutter, Oma, Ur-Oma”, wobei sie jeweils auf die Vertreter der zugehörigen Generation zeigt. Find ich lustig, wo gibt es bei uns noch sowas, ein Vier-Generationen- Café?

Ich bestelle was zu essen und ein Bier. Oma hat natürlich mitbekommen, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und – offensichtlich besorgt ob meiner Fahrtüchtigkeit – gibt sie folgendes zu bedenken. Sie hat zwei Sorten Bier, Pilsener und Budweiser, was auch sonst in dieser Gegend? Das eine hat 11 Prozent, das andere 12 Prozent Alkohol. Ob ich das wirklich will? Nein Omi, du hast ja recht, ich lehne dankend ab. Also nur was zu essen.

Plötzlich gerät alles in Aufruhr. Der Kleine setzt meinen Helm auf, Mutti versucht erfolglos, ihn davon abzuhalten, Omi rennt erstaunlich schnell aus dem Laden und Ur-Oma kümmert sich um das Essen. Einige Minuten später ist Oma wieder da und hält stolz eine Pulle Bier in die Luft. “Kein Alkohol!”, jubelt sie und stellt es mir auf den Tisch. Damit der Junge auch was zu trinken hat. Keine Ahnung, wo sie das organisiert hat, ich war jedenfalls gerührt.

Zum Dank durfte der Kurze mit meinem Helm auch Fußball spielen.

Vier Stunden nicht duschen!

Chodová Planá, Tschechien

10. Reisetag

633 Kilometer

Nun also zum ersten mal in Tschechien. Leider nur auf der Durchreise und lediglich für eine Woche. Da frage ich mich natürlich, was ich mir so ansehen soll.
Ganz oben rangiert Prag. Muss man gesehen haben. Aber solo und mit dem Fahrrad sind solche Stadtbesichtigungen meist nicht sehr erquicklich und so spare ich mir diese interessante Stadt für ein schönes verlängertes Wochenende mit Gaby auf.

Als nächstes auf der “must see” Liste stehen die alten Kurbäder Karlsbad und Marienbad, die auch interessant sein sollen. Alte Bekannte wie Thomas Edison, König Edward VII, Franz Kafka und Goethe waren schließlich auch schon da.
Also, ICH und Goethe, das würde ja passen…
Gegen einen Besuch spricht, dass die Bäder bereits fest in russischer und saudischer Hand sind und nach gepimpten Russinnen steht mir nun wirklich nicht der Sinn.

Einige meiner geneigten Leser wissen ja bereits, oder zumindest ahnen sie es, dass ich ein großer Kunstliebhaber bin! Und hier in Böhmen hat sich über Jahrhunderte eine ganz besonders hoch entwickelte Kunst etabliert, die genauer in Augenschein genommen werden will. Kleine Nachhilfe für Nichtpromovierte unter uns, so wie Gutenberg, Schavan oder meine Wenigkeit: Worauf deuten Städtenamen wie Pilsen oder Budweiser hin?
Um mich dieser Kunstform auf eine sehr sinnliche Weise zu nähern, werde ich einen Selbstversuch unternehmen. Aber nicht, was ihr schon wieder denkt! Nein, ich will das Bier nicht trinken, ich werde darin baden!
Den Termin habe ich für 11:00 morgens ausgemacht. Zusammen mit fünf anderen Kunstinteressierten betrete ich das Bad in einem schönen Gewölbekeller. Mich wundert ein wenig, dass es hier eine Theke gibt, an der Bier gezapft wird. Man zieht sich komplett aus. Anschließend geht es zu den bereits gefüllten großen Badewannen, die mit Vorhängen voneinander getrennt sind. Die Flüssigkeit, altbierfarben und mit einem Schaum drauf, wie man ihn vom Gären in den großen Fässern kennt. Unzweifelhaft Bier, ein spezielles Badebier, dass sie hier extra zu diesem Zweck brauen. Die netten tschechischen Bierbademeisterinnen geben nun das Kommando zum Wanneneinstieg. Es ist sehr angenehm. Erst jetzt bemerke ich das schöne frischgezapfte Bier neben mir. Herrlich! Was will Mann mehr? Außen und innen feinstes Bier. Zwanzig Minuten wird so bei angenehmer Musik entspannt, dann wird man von einer wirklich sehr netten BBM in ein Tuch gehüllt und zum Ruheraum geführt. Sie packt einen warm ein und verweist auf das frischgezapfte, herrliche Bier neben der Liege. Leute, so läßt’s sich leben! Nach weiteren zwanzig Minuten ist dann alles vorbei. Man bekommt noch den Hinweis “Vier Stunden nicht duschen!” und ich denke mir “Nach dem guten Frühstück, dem heißen Bad und zwei Vormittagsbier sollte ich erstmal vier Stunden schlafen.”
So, was bringt nun das Ganze? Der Prospekt verspricht “geistige Erholung und verjüngende Wirkung.” Geistige Erholung, na ja, vielleicht. Aber das mit der Verjüngung ist natürlich Quatsch.
Moment mal? Ich spüre da plötzlich was….
Ej, ihr Opfer, checkt mal meinen krassen Blog aus. Die Tour bisher voll Porno. Ne Menge übler Grufties unterwegs, die einen dauernd dumm anlabern. Voll die Grütze.
Bin gespannt, wie lange die Wirkung anhält.

Deutsche sind lieb – wirklich!

Bayreuth, Deuschland

8. Reisetag

535 Kilometer

Auf so einer Radreise heißt es ja ständig Abschied zu nehmen, denn jeden Tag verlässt man eine Welt und bricht in eine neue auf. Das ist der Reiz einer solchen Reise und zugleich deren Herausforderung. Grenzübertritte sind immer spannende Momente und ein besonderer Abschied ist der, wenn man sein Heimatland verlässt. Dies ist bei mir nun der Fall und auf mich warten 14 Länder, in denen ich noch nicht gewesen bin. Klingt vielversprechend, oder?

Ich nehme dies zum Anlass, um mich bei all denen zu bedanken, die mir auf meiner Tour unterwegs bisher so nett geholfen haben. Als da sind:

Peter, der mich in Wesseling bei meiner Suche nach dem versteckten Zugang zum Rhein entdeckte und einfach 1,5 km vorfuhr, bis die Sache klar war. Ich wünsche ihm alles Gute für seine Tour nach Rom.

Herr Kaufmann in Andernach, der nicht nur abends mein Fahrrad in Sicherheit bringen lies und morgens wieder bereitstellte, sondern sich sofort anbot, mir bei einer kleinen Reparatur zu helfen.

Die Radfahrerin in Koblenz, die mir erklärte, wie ich über die in Renovierung befindliche und für Radfahrer gesperrte Balduinbrücke über die Mosel komme, als ich wie der Ochs vorm Berg stand.

Der ältere Herr in Rhens, der mir schon von Weitem zuwinkte, um mir die Umleitung um eine Baustelle zu erklären, damit ich nicht den Weg wieder zurückfahren musste.

Herr Bonsch in Oberwesel, der mir eine Tüte (mit Herzchen drauf) auf den Frühstückstisch legte, in die ich mir etwas zum Mittagessen einpacken sollte.

Die Kellnerin in dem unglaublichen Restaurant Borussia in Frankfurt, die echt im Stress war, mir sagen musste, dass beim besten Willen kein Platz frei war und mir dann später wahrhaftig hinterherlief, als doch noch was frei wurde. Es war die bisher schönste Mittagseinkehr auf meiner Tour.

Der sympathische Herr, der zu Studentenzeiten mit dem Fahrrad zum Nordkap gefahren ist und mich an einer Infotafel in Aschaffenburg ansprach, um mir bei der Suche nach einer Unterkunft zu helfen. Zu dumm, dass ich nicht weiter erforschte, was für ein dreirädriges Auto er fährt.

Der Bahnreisende auf dem Weg von Mainz nach Nürnberg, der mich von Aschaffenburg nach Würzburg begleite und mir mit Fahrrad und Gepäck half, weil mal wieder eine Tür der Deutschen Bundesbahn nicht funktionierte, das bepackte Fahrrad nicht durch den Gang passte und somit alles eilig in Einzelteilen aus dem Zug geschafft werden musste.

All die unerwartet vielen Leute, die mir unterwegs zuwinken, “gute Fahrt” oder “ganz schön kalt, was?” zurufen, die mich aufmuntern, bemitleiden oder motivieren.

UNGLAUBLICH!

Und natürlich frage ich mich: Liegt all die erfahrene Zuwendung daran, dass unsere Landsleute wirklich so offen, freundlich und hilfsbereit sind? Oder liegt es einfach daran, dass ich auf sie debil, degeneriert und verloren wirke.
Heilige Jungfrau Maria, bitte lass es nicht Letzteres sein!

PS. Wo bin ich hier eigentlich und wie komme ich jetzt nach Hause???

Der beherzte Griff in den Schritt

Würzburg, Deuschland

6. Reisetag

378 Kilometer

Ich bin zum ersten Mal in Würzburg. Diese Gelegenheit möchte ich nutzen, um mir die berühmte Residenz anzuschauen. Aber nicht einfach “nur so”, denn ich bin mal wieder auf Spurensuche. Doch dazu später mehr.
Jetzt schließe ich mich erstmal einer Führung an. Ich lerne dabei, dass bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Auftraggeber, also meistens Adel und Klerus, die Motive von Gemälden und Fresken genau vorgegeben haben. “Freie” Künstler gibt es erst ab dem 19. Jahrhundert.

Auf eine interessante optische Spielerei werden wir von der Führung hingewiesen. Ein Hund thront plastisch auf einer Säule, sodass man annimmt, er sei modelliert. In Wirklichkeit ist er aber Teil der Wandmalerei. Tolle Idee.

Ein Novum der Kunstgeschichte ist ebenfalls hier zu bestaunen. Zum ersten Mal Pferde von unten! Auch der stramme Hengst so detailgetreu! Das gab’s noch nie. Hab ich groß fotografiert. Die Hintergründe erspare ich uns hier.

Nun zu meinem Anliegen. Vor ungefähr 12 Jahren ist mir aus vertrauenswürdiger Quelle folgende Geschichte zugetragen worden. Der Fürstbischof von Würzburg gibt ein Fresko in Auftrag. Allerdings verweigert er dem Künstler nach Fertigstellung die Bezahlung, vermutlich, weil er mit der Arbeit aus einem mir nicht bekannten Grund unzufrieden ist. Dies wiederum veranlasst den möglicherweise cholerisch veranlagten Künstler sein Werk zu überarbeiten. Er malt zwei Engel, die jemandem (dem Chef?) ungeniert und beherzt in den Schritt greifen. Eine kleine Spitze für einen Künstler, ein große Beleidigung für einen Fürsten und Bischof! Dieser setzt dem Freigeist nach, doch der entkommt mit knapper Not.
Ich fand diese Geschichte ausgesprochen schön und so trage ich sie der Kunstführerin vor. Obwohl ich ihr einleitend mitgeteilt habe, dass ich das Geschehene aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, fragt sie, von wem ich das denn hätte.
“Einem Lehrer.”, antworte ich. Das dürfte jeden Zweifel im Keim ersticken.
“Einem Lehrer?”, fragt sie misstrauisch.
“Einem Lehrer.”, antworte ich bestimmend.
Nein, diese Geschichte kennt sie nicht.
Sie tischt mir zwei Alternativen auf.
Einmal war der Fürstbischof mit den Farben der Fresken nicht zufrieden. Der Künstler musste überarbeiten, wurde aber bezahlt.
“Gähn.”
Ein anderes Mal, hat ein Künstler stets hinter einer undurchsichtigen Abdeckung gearbeitet. Als diese dann endlich gelüftet wurde, stellte sich heraus, dass er gar nicht malen konnte. Er wurde nicht bezahlt.
“Schnarch.”

Also ich fand meine Geschichte besser!

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