Neulich beim Italiener

Oberwesel am Rhein, Deuschland

3. Reisetag

214 Kilometer

Am schönen Mittelrhein liegt das beschauliche Örtchen Oberwesel. Wohltuend hebt es sich von anderen touristischen Orten, wie z.B. Boppard ab. Es gibt eine schöne Stadtmauer, viele Befestigungstürme, eine Burg auf dem Berg und einen kleinen historischen Markplatz mit viel Fachwerk. Trotz dieser angenehm zurückhaltenden Rheinromantik habe ich heute Abend keine Lust auf deutsche Weinseligkeit, sondern lande stattdessen mal wieder “beim Italiener”. Bei der Location handelt es sich um eine offensichtlich aufgegebene deutsche Kneipe mit der augenscheinlich originalen Einrichtung aus den 60er oder 70er Jahren. Die Einrichtung unserer Tennisvereinsgastronomie ist posh dagegen.
Der Wirt fragt mich, ob ich aus Oberwesel sei. Nein, ich bin auf der Durchreise, fahre mit dem Rad nach China. “Was?”, und schon sitzt er an meinem Tisch.
“Meine Frau würde mir den Kopf abreißen!”
Dann wendet er sich an seine junge, hübsche Angestellte.
“Hörmal, was würdest Du sagen, wenn dein Mann nach China fahren würde?”
“Dann kann er gleich in China bleiben!”, antwortet sie.
Diese Aussagen lassen an Deutlichkeit keine Wünsche offen und ermöglichen uns einen tiefen Einblick in das harmonische italienische Familienleben.
Doch der größte Schock steht den beiden noch bevor.
“Bis nach China, da musst du doch vier bis fünf Paare Schuhe dabei haben.”, meint er.
“Nein, nur ein Paar.”, antworte ich wahrheitsgemäß.
“Aber man braucht doch welche für den Sommer, den Winter, zum Fahrradfahren, für abends, als Ersatz, usw.”
Leute, meine komplette Garderobe für die nächsten acht Monate passt in eine Gepäckträgertasche, da muss ein Paar Schuhe reichen.
Dann ruft die Küche. Er steht auf, geht mit hängendem Haupt kopfschüttelnd dahin und murmelt völlig verständnislos “Ein Paar Schuhe, nur ein Paar Schuhe …”. Das macht ihn fertig.

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