Nur zu Besuch!

Istrien

762 km

Bei regnerischem Wetter komme ich auf dem Campingplatz an. Nach dem gestrigen Edel-Zeltplatz ist hier der erste Eindruck eher enttäuschend. Der Empfang zwar nicht unfreundlich, aber etwas kühl. Die Anlage nicht besonders toll gepflegt. Zudem gibt es keine separate Fläche für Zelte, sondern man bekommt so eine Parzelle zugewiesen, auf der üblicherweise Wohnmobile oder Wohnwagen stehen. Übertrieben groß für mein kleines Zelt und … teuer.

Trotzdem ist es schön, endlich am Tagesziel angekommen zu sein. Aufgrund der schlechten Wettervorhersage werde ich hier zwei Nächte bleiben.
Jetzt freue ich mich erstmal auf eine warme Dusche. Die Sanitäranlagen sind – ganz im Gegensatz zum sonstigen Erscheinungsbild der Anlage – absolut top. Frisch renoviert, sehr groß, perfekt sauber, alles in maritimen Blau. Es gibt große Duschkabinen und unbegrenzt heißes Wasser, nicht immer üblich auf Campingplätzen. Das muss ausgenutzt werden. Herrlich!
Auch am nächsten Tag werden die Waschräume mein beliebtester Aufenthaltsraum auf der Anlage. Ich dusche morgens nach kalter Nacht und abends nach verregnetem Tag. Zähneputzen (sonst gerne im Zelt), Rasieren (sonst gerne im Hotel), hier erledige ich alles in meiner inzwischen liebgewonnenen Wellness-Oase.
Und auch am letzten Morgen möchte ich nach dem Zähneputzen und vor meiner Abreise schnell noch mal duschen. Gerade begebe ich mich vom Waschbecken zur Duschkabine, da tritt eine ältere Dame auf mich zu und sagt:
“Das hier ist der Damenbereich!”
“Wie bitte?”
“Ja, hier sind die Waschräume der Frauen.”
“Echt?”
“Die Männerräume sind auf der anderen Seite des Gebäudes. Hier raus und dann zweimal um die Ecke.”
“Ach was.”
Diese besonders von meiner Seite sehr geistreich geführte Kommunikation hat die Aufmerksamkeit weiterer Damen erregt und so haben sich mittlerweile rund ein halbes Dutzend neugierige Mädels älteren Semesters um mich versammelt.

Nun kann man auf Campingplätzen mit überwiegend deutschen Rentern (wir sind außerhalb der Feriensaison) zuverlässig ein wunderschönes Bild beobachten, in dessen Genuss ich jetzt hautnah komme. Nirgendwo sonst trifft man heute noch so eine Vielfalt an verwaschenen, gestreiften, karierten, geblümten und sonstwie altmodischen Bademänteln, wie auf einem Campingplatz. Nun befinde ich mich in der recht skurillen Situation hier im Damenbereich von einer repräsentativen Auswahl solcher Prachtexemplare umgeben zu sein.
Ein Bild für die Götter!
Das möchte ich natürlich festhalten.
Ich gestehe meinen Fehler ein und bitte die Damen:
”Ok, aber bitte noch ein Foto zum Abschied.”
“NEIN!”
“Och, nur fürs Internet.”
“BLOSS NICHT!”
Um sie gnädig zu stimmen, biete ich an:
“Wer möchte, kann den Bademantel auch anbehalten.”
“RAUS!”
Und Ilse aus Bottrop (wurde beim Zähneputzen so begrüßt) ruft lauthals:
“Ääärwin komma hier isn Pärwärsa!”
Soviel Humor hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Und obwohl ich mir sicher bin, dass sie es nicht ernst gemeint hat, bin ich feinfühlig genug, jetzt die gastlichen Räume zu verlassen.
Hinter der ersten Ecke kommt mir Erwin entgegen. Ich begrüße ihn freundlich und habe noch einen wichtigen Ratschlag für ihn:
“Geh da nich rein. Is nur für Mädels!”

Dann verschwinde ich um die nächste Ecke und da ist wahrhaftig der Männerbereich.
Alles in wunderschönem Grün.
Dusche ich halt hier.
Nächstes Mal aber wieder blau!

Vukovar

Vukovar, Kroatien

27. Reisetag

1809 Kilometer

Die Schrecken des Jugoslawien-Krieges verbinde ich seit dem Jahr 1991 mit der Stadt Vukovar. Noch immer läuft mir bei diesem Namen ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich diesen Ort jemals besuchen würde. Und plötzlich bin ich ganz in der Nähe. Der Donauradweg führt an diesem Ort nicht vorbei und so entscheide ich mich für einen Umweg.

Zwei Bilder gingen damals um die Welt und haben noch heute traurige Berühmtheit. Ein Krankenhaus und ein Wasserturm. Auf die Suche nach diesen Orten möchte ich mich begeben.

Die Schlacht um Vukovar dauerte fast drei Monate. Aus Wikipedia:
“In dieser Zeit schlugen in Vukovar bis zu 8000 Granaten täglich ein, insgesamt sechs Millionen Geschosse. Den kroatischen Truppen – 800 Soldaten und Polizisten, dazu gut 1000 Freiwillige – stand ein größeres Regiment der Jugoslawischen Volksarmee und serbischen Freischärler gegenüber, die Vukovar mit Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und schwerer Artillerie einnehmen wollten.
Die Belagerung der Stadt durch die Jugoslawische Volksarmee dauerte 87 Tage und endete am 18. November 1991. Als die Soldaten an jenem Tag in die inzwischen fast völlig zerstörte Stadt einmarschierten, lebten dort noch 2000 Menschen. Viele von ihnen hatten während des Bombardements Zuflucht im Krankenhaus von Vukovar gesucht.”

Die Eroberer holten aus dem Krankenhaus und Umgebung 200 kroatische Männer und Jungen. Alles unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Die Filmaufnahmen gingen um den Globus. Angeblich sollten die Gefangenen an einen sicheren Ort gebracht werde. In Wirklichkeit wurde von den Serben an den Kroaten ein Massaker verübt. Entsetzlich, wenn man sich vorstellt, dass heute noch diese Filme zu sehen sind und Frauen und Mütter ihre Männer und Söhne zum letzten Mal beim Einsteigen in die Busse sehen. Herzzerreißend.

Beim Einfahren in Vukovar fällt sofort auf, dass alle Häuser entweder neu verputzt, neu gebaut oder zerstört sind. Ich habe kein einziges Haus von 1991 oder davor gesehen, dass im Originalzustand und unversehrt ist. Alle Dächer sind neu. Zufälligerweise fahre ich in die Stadt über die Tripinstrasse. Sie war am härtesten umkämpft und bekam den Beinamen Panzerfriedhof. Keine Ahnung, wie es die Kroaten mit ihren bescheidenen Mitteln geschafft haben, all die Panzer zu zerstören. Hier findet sich auch gleich die erste Gedenkstätte. Im Boden eingelassen durchnummerierte Steine, ähnlich den Stolpersteinen, wie sie bei uns zu finden sind. In den Wänden Monitore, auf denen unter anderem Filmsequenzen zu sehen sind, die die Verwüstung der Stadt zeigen. Sie erinnern an Bilder von Berlin oder Köln nach dem 2. Weltkrieg.

Ich empfinde die Weiterfahrt in die Stadtmitte als sehr gespenstig. Zwischen den “neuen” Häusern immer wieder total zerschossene Gebäude, die einem das Gefühl geben, als wenn erst gestern hier die Kugeln eingeschlagen wären. In der Innenstadt dann der kaum zu überbietende Kontrast. Auf der einen Straßenseite schicke Cafés, die Tische draußen, frequentiert von vorwiegend jungen Leuten, wie sie genauso auch in Düsseldorf oder München anzutreffen sein könnten, auf der anderen Straßenseite durchlöcherte Fassaden vom Krieg zerstörter Gebäude.

An dem Krankenhaus komme ich nicht vorbei. Zumindest erkenne ich es nicht. Es gibt dort wohl auch nur eine recht unscheinbare Gedenktafel. Ein Touristenbüro, wo ich mich erkundigen könnte, ist nicht vorhanden. Eine Infotafel enthält ebenso keinen Hinweis. Verwunderlich, oder auch nicht? Was tun? Jemanden fragen: “Wo bitteschön geht es zu dem Krankenhaus, wo …?”. Halte ich für nicht angebracht. Und so beende ich hier meine Spurensuche, ich denke, das ist das Beste.

Der Wasserturm übrigens ist unübersehbar und bleibt als Mahnmal hoffentlich noch lange erhalten.