Rumänien – auf dem Land eine andere Welt

Bechet, Rumänien

33. Reisetag

2372 Kilometer

Von Serbien kommend überquerte ich zuerst einen Zipfel der Südkarpaten, fuhr dann entlang der Donau durch das “Eiserne Tor”, den Durchbruch der Donau durch die Karpaten, um anschließend durch die Wallachei wieder zur Donau zu gelangen, über die ich mich nach Bulgarien verabschiedete.

Was mir zuerst in Rumänien auffiel, war der viele Müll am Wegesrand. Das habe ich in keinem anderen der Staaten Osteuropas gesehen, selbst bei einer früheren Tour in Russland nicht. Der Müll war scheinbar kein lokales Problem, denn er verfolgte mich über die komplette Strecke von fast 400 km in Rumänien. An vielen Stellen wird er einfach verbrannt, mit allem was dazugehört, Plastiktüten, Plastikflaschen, Styropor, usw.

Auch an die allgegenwärtigen Hunde musste ich mich erst gewöhnen. Die vielen Straßenhunde in erbärmlichen Zustand sind scheu, schreckhaft und tun nichts. Andere Hunde sind schon eher aggressiv und werden von Radlern gefürchtet.

Als nächstes für unsereins sehr ungewöhnlich, die Landwirtschaft. Keine großen Felder, selten mal ein Traktor. Die kleinen, oft unebenen Äcker werden überwiegend von Hand bearbeitet. Viele alte Frauen mit Schaufeln und Hacken sind hier zugange, Pferde ziehen Pflüge durch den Boden. Ich hatte in Ungarn bereits einen Pferdewagen gesehen, aber hier in Rumänien vergeht auf dem Land keine Minute, ohne dass man einen sieht.

Dann die Autos. Wenn man glaubt, dass hier nur alte Schrottkarren rumgurken ist man komplett falsch gewickelt. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ok, es gibt ein paar vereinzelte alte Dacias, die fallen jedoch kaum auf. Alle anderen sind relativ neu. Es gibt auffallend wenig Autos. Alte Mopeds sind ebenfalls Mangelware. In Serbien zum Beispiel habe ich erstaunlich viele Autos gesehen , die schon zu meiner Studentenzeit unterwegs waren , z.B. R4 von Renault und den Käfer, auch einige Trabis im Altagsgebrauch. Viele Mopeds stammten noch aus ostdeutscher Produktion, also Simsom und Schwalbe. Nichts dergleichen in Rumänien. Noch in den 80-er Jahren muss zumindest das ländliche Rumänien so gut wie Moped- und Auto-frei gewesen sein, ansonsten hätten noch ein paar mehr alte Schätzchen überlebt.
Auch heute noch kann sich kaum ein Normalbürger ein Auto leisten. Kein Wunder, die Spritpreise entsprechen, wie in allen Ländern, durch die ich bisher gekommen bin, ungefähr den unseren, aber die Einkünfte und sonstigen Lebenshaltungskosten sind nur ein Bruchteil von unseren. Für einen Kaffee habe ich letztens umgerechnet 20 Cent bezahlt.

Die Kleinstädte, in denen ich übernachtet habe, empfand ich als recht angenehm. Viel Platz für Fußgänger, wenig Autos und eine inzwischen gute Infrastruktur. Es ist unübersehbar, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den Städten stattfindet, wie bei uns in Ostdeutschland ja auch, aber die Entwicklung auf dem Land eher stagniert.

Das Dorfleben in Rumänien war für mich eine völlig neue Erfahrung. Dörfer kannte ich bisher entweder als rausgeputzt (“unser Dorf soll schöner werden”) oder relativ leblos, Stichwort Landflucht. Hier in Rumänien pulsiert das Leben auf dem Lande noch. Vor jedem zweiten Haus gibt es eine Sitzbank, auf der auch wirklich Leute sitzen. Bürgersteige gibt es nicht, alle laufen auf der Straße rum. In den Dörfern befinden sich meist mehrere Brunnen, die noch rege benutzt werden. Alte Omis, die zwei volle Wassereimer über die Straße schleppen sind keine Seltenheit. Die Häuser meist ärmlich, aber nicht vernachlässigt. Überall wird gewerkelt und gearbeitet, die Rumänen sind fleißig!
Ein Dorf mit einer Durchgangsstraße kann sich glücklich schätzen, denn diese ist asphaltiert. Alle davon abgehende Straßen sind unbefestigt. Ich habe Dörfer ohne eine einzige befestigte Straße gesehen.
Teppiche werden offensichtlich nicht gesaugt, denn allerorts sieht man, wie sie mitten auf der Straße geschrubbt und dann über den Zaun zum Trocknen aufgehängt werden. Läden aller Art, Schulen, Werkstätten, all das ist noch vorhanden.
Fährt man mit dem Fahrrad durch ein Dorf, kommt man sich vor, wie bei der Tour de France, wo alle am Straßenrand stehen und anfeuern. Wie viele Sprachen habe ich hier schon gehört? ” Bon Voyage, buon giorno, servus, sehr gut, hello, ciao, dobre” und vieles mehr. Gegrüßt und gewunken wird von allen Altersgruppen. Die Kinder erspähen einen schon von weitem und kommen zum Abklatschen, selbst auf dem Fahrrad.

Freundliche Menschen, eine grandiose Landschaft, gutes Wetter, Rumänien hat viel zu bieten, aber auch noch einen ganz, ganz langen Weg vor sich.

Und ehrlich gesagt, wenn ich König von Rumänien wäre, würde ich als erstes etwas einführen, was mit “Müll” anfängt und mit “abfuhr” aufhört!

Hund gegen Internet

Dubova, Rumänien

31. Reisetag

2117 Kilometer

Von Hundeangriffen auf Radfahrer hatte ich in Vorbereitung auf meine Tour schon einiges mitbekommen. Die Rede war von kilometerlangen Verfolgungen, Stürzen, Bissen, dem puren Horror. Grund genug also, sich mit diesem Thema eingehender zu beschäftigen.

Wäre doch gelacht, ihr kleinen Kläffer! Ihr habt zwar schnelle Beine und scharfe Zähne, aber wir haben das Internet! Dort findet sich alles Mögliche zur Abwehr von Hundeattacken.

Gern empfohlen werden verschiedene Formen von Reizgas. Für einen alten Anti-AKW-Demonstranten kommt sowas natürlich überhaupt nicht in Frage. Gewaltfreier Widerstand!

Andere versuchen es auf eine sich anbiedernde Art und Weise, indem sie Leckereien mitführen, um die Bestien damit zu besänftigen. Da locke ich die Viecher womöglich noch an und werde sie gar nicht mehr los. Völliger Blödsinn.

Immer wieder auch der Tipp, einen Stock mitzuführen, um damit auf die Angreifer einzudreschen. Nix da, ich will Frieden schaffen ohne Waffen. Ein Stock kommt für mich überhaupt nicht in Frage, ich nehme Steine!

Am logischsten erscheint mir folgendes Verhalten. Der Jagdtrieb der lieben Kleinen wird in erster Linie durch das Pedalieren angeregt, also einfach mit dem Strampeln aufhören. Dann verlieren sie ihr Interesse. Gerne darf noch ein Stein geworfen werden, dann bekommen sie Angst, die Feiglinge. Im Zweifelsfalle einfach stehenbleiben.

Soweit die Theorie. Zeit für einen Praxistest. In ungarischen Dörfern gibt es in jedem Haus mindestens einen Hund, aber immer schön hinterm Zaun. Hier ist man sicher. Als ich eine kleine Pause einlege, kläffen mich gleich drei Eingesperrte mit unglaublichem Durchhaltevermögen an. Prima Möglichkeit die Steinemethode auszuprobieren. Einfach mal einen Kiesel gegen das Gitter (nicht gegen den Hund!) geknallt, sie gehen wahrhaftig stiften. Da bin ich schon etwas erstaunt. So einfach ist das?

In Rumänien dann der erste Angriff. Plötzlich sind zwei kleine Kläffer hinter mir her. Da merke ich, dass auch wir Menschen instinktgetrieben sind. Entgegen aller Vorbereitung gebe ich richtig Gummi und trete so die Flucht an. Erst bleiben sie noch dran, dann geben sie auf. Hat zwar auch funktioniert, aber bergauf oder bei größeren Hunden, kein Chance. Ich stopfe meine rechte Hosentasche mit Steinen voll.

Beim nächsten Mal sehe ich schon von Weitem ein mittleres Kaliber auf mich warten. Ich trete ordentlich in die Pedalen, um Fahrt aufzunehmen. Dann läuft der Kerl laut bellend und zähnefletschend auf mich zu. Ich höre mit der Strampelei auf, Füße hoch, das Tier nun hinter mir, dranbleibend. Also Stein aus der Tasche und auf den Boden (nicht auf den Hund!) geknallt. Damit hat er nicht gerechnet, er gibt auf.

Jetzt werde ich übermütig! Warum warten, bis sie mich angreifen? Ich versuche einen Präventivschlag! Da hinten ist schon wieder einer. Gute Gelegenheit. Noch in sicherer Entfernung entnehme ich meinem gut gefüllten Magazin ein Wurfgeschoss und werfe es in Richtung des Tieres (nicht auf das Tier!). Verdammt, das war keine gute Idee. Das hat ihn erst so richtig angestachelt. Jetzt hetzt er auf mich zu, ich krieg ordentlich Schiss. Hallo, war doch gar nicht böse gemeint. Ich will ja nur spielen. Da bleibt er plötzlich stehen, wie um mir zu sagen: “Mach das bloß nicht nochmal, Kleiner!”. Ok, die Lektion habe ich verstanden.

Ich strecke die Waffen und entledige mich meiner Steine. Von nun an bin ich komplett gewaltfrei unterwegs. Seitdem habe ich alle Attacken einfach ohne zu treten ausgerollt. Einmal am Berg musste ich absteigen. Da sind sie sofort stehengeblieben und ich bin gaaanz langsam davongeschoben. Alles gut.

Aber den kreativsten Vorschlag zur Hundeabwehr habe ich nicht aus dem Internet, sondern – man mag es kaum glauben – von der tierliebsten Person, die ich kenne. Ich solle mir doch eine zweite Fahrradkette besorgen, diese neben mir wie einen Propeller rotieren lassen und so die Bestien erledigen! Man stelle sich das mal vor. Durch Helm und Fahrradkleidung falle ich eh schon überall auf wie ein Außerirdischer. Wenn ich dann noch ketteschwingend in Wildwest-Manier durch das rumänische Dorf reite und ein Gemetzel unter den einheimischen Vierbeinern anrichte, das könnte für Verstimmung unter der anwesenden Bevölkerung sorgen.

Das mache ich nicht.

Ich habe Stil.

Ich kaufe mir einen Poloschläger!