Sivas – so schön, so traurig

Sivas, Türkei

72. Reisetag

3932 Kilometer

Wenn ich schon mal am Sonntagabend den “Tatort” einschalte, gelingt es mir fast nie, ihn wirklich bis zum Ende anzuschauen. Die Geschichten oft haarsträubend, die Schauspielkunst maximal Mittelmaß.

Ich weiss nicht mehr, wie es bei diesem Tatort war, aber ich hörte das erste Mal den Namen der türkischen Stadt Sivas, lernte etwas über einen Konflikt zwischen Moslems und Aleviten, erfuhr von einem Brandanschlag. Leider alles real und nicht ausgedacht.

Was war passiert in Sivas? Im Juli 1993 versammelten sich nach dem Freitagsgebet ca. tausend radikale Islamisten vor dem Hotel Madimak, in dem Intellektuelle und Aleviten ein Kulturfestival abhielten, darunter auch der Verleger der “Satanischen Verse” in der Türkei. Die Menge setzte das Hotel in Brand, über 30 Menschen starben. Das Grauen war im Fernsehen zu verfolgen, das Verhalten von Stadtverwaltung, Polizei und Feuerwehr war, gelinde gesagt, zwielichtig.

Die Situation ähnelt sehr den Vorkommnissen im deutschen Hoyerswerda, wo 1991 ein aufgebrachter Mob Rechtsradikaler unter den Augen der Öffentlichkeit ein von Ausländern bewohntes Haus in Brand setzte. Nur durch sehr viel Glück waren hier keine Toten zu beklagen, aber die Rolle der öffentlichen Instanzen war ebenfalls recht fragwürdig. Das Wort “ausländerfrei” wurde das Unwort des Jahres in Deutschland.

Schlimm für beide Städte, dass ihre Namen nun für immer mit diesen beiden Ereignissen verbunden sein werden.

Für Sivas tut es mir besonders leid, denn es ist eine ausgesprochen schöne, lebhafte Universitätsstadt mit langer Tradition und einer jungen Bevölkerung. Und sie hat mittlerweile aus der Geschichte gelernt. Das ehemalige Hotel wurde inzwischen von der Stadt übernommen, umgebaut und eine Gedenkstätte darin eingerichtet. Jedes Jahr erinnern mittlerweile zig-tausende Demonstranten am Gedenktag an die schlimmen Ereignisse. Sehr gut.

Aber das ist in Hoyerswerda ja auch so, oder?