Eine Bahnfahrt, die ist lustig. Eine Bahnfahrt, die ist lehrreich.

Mainz

1. Reisetag

0 Kilometer

 

Eigentlich hat die Reise ja noch gar nicht begonnen, aber interessant war es schon heute.

 

1. Etappe S-Bahn Ratingen – Köln
Reiseradler haben ganz offensichtlich Gemeinsamkeiten mit Hundehaltern. Man wird bereits von Weitem erkannt und kommt anschließend sofort miteinander ins Gespräch. So auch in der S-Bahn von Ratingen nach Köln. Ein Vater samt Familie (Frau und zwei Kinder) setzt sich zu mir und sagt -mit Blick auf mein Fahrrad- ohne Umschweife: „Damit kann man um die ganze Welt radeln.“ Es stellt sich heraus, daß er vor 20 Jahren mit einem Freund durch Nordspanien geradelt ist, also genau die Strecke, die ich auch vorhabe. Was für ein Zufall.
Sie kommen gerade aus der Sea World in Duisburg. Ein Besuch, der ihn offensichtlich stark beeindruckt hat, denn nun fängt er an, über die Schöpfungsgeschichte zu referieren. Diese Schönheit, diese Farben und Lebensformen, die Anmut, ja auch die Gefühle, die Gedanken und natürlich die Liebe, das alles soll nur aus dem Lebenserhaltungstrieb entstanden sein, wie die Evolutionstheoretiker behaupten? Nein, er glaubt an den Schöpfer. Ich freue mich, dass der Besuch in einem Aquarium solch philosophische und theologische Denkprozesse auslöst, halte mit meiner Meinung hierzu aber besser hinter dem Berg. Da ich aber nicht unhöflich erscheinen möchte, rufe ihm bei seinem Ausstieg in Leverkusen noch ein laut frohlockendes „Halleluja Bruder, halleluja!“ zu (nein, nur ganz leise und nur für mich …).

2. Etappe Köln HBF
Eine willkommende Unterhaltung der deutschen Bundesbahn ist das bei Fahrgästen stets beliebte Bäumchen-wechsel-dich-Spiel „Wagenstandsreihungänderungsansage“. Haben wir heute in Köln gespielt. Geht in der Basisversion so: bei Einfahrt des Zuges wird man per Lautsprecheransage informiert, dass die Wagen entgegen dem ausgehängten Wagenstandsanzeiger in umgekehrter Reihenfolge einfahren. Daraufhin ensteht ein lustiges Treiben, denn alle, die sich ganz vorne am Bahnsteig aufgestellt haben, müssen schnell nach hinten laufen und begegnen nun denen, die von ganz hinten nach ganz vorne laufen. Ein fröhliches Hallo, lauter lachende Gesichter, das Leben kann so schön sein.
Heute hat sich die Bahn dazu sogar noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen.
Ich habe eine Reservierung für das Fahrradabteil im Wagen 3.
Der Wagenstandsanzeiger kennt aber nur die Wagen 5 bis 14, fünf soll vorne sein. Diese Kopfnuss ist aber leicht, denke ich bei mir. Haben sie heute zwei zusätzliche Wagen. Drei ist ganz vorne, da stelle ich mich hin. Der Zug fährt ein, die Wagenstandsreihungänderungsansage ertönt. Voller Vorfreude, gleich allen anderen Mitreisenden zu begegnen, will ich mich schon auf den Weg nach hinten machen. Da vernehme ich der Durchsage, dass die Reihenfolge der Wagen 4 bis 14 gedreht wurde. Ich habe 3, also bleibe ich, wo ich bin.
Der Zug kommt zum Stehen.
Vorne ist 14.
Der Zugbegleiter steigt aus: “Fahrradabteil ganz hinten.”
Mist, schon wieder verloren.
Immer gewinnt die Bahn.
Menno.

3. Etappe IC von Köln noch Mainz
Als ich das recht große Fahrradabteil des Intercity betrete, befindet sich dort lediglich ein verlassener Drahtesel und ein recht junges Pärchen mit einer kleinen Tochter. Diese ist gerade mitten im Krabbelalter und offensichtlich der Grund dafür, warum sich die Familie hier im geräumigen Abteil niedergelassen hat. Das alleinstehende Fahrrad gehört nicht zu ihnen. Der junge Vater hat mir beim Einladen meiner Klamotten geholfen und so verzichte auf meinen kostenpflichtig reservierten Sitzplatz im angrenzenden Großraumabteil und lasse mich ebenfalls auf einem der Klappsitze bei den Fahrrädern nieder. Die drei fahren bis Koblenz, dort steigen sie um. Sie sind sehr sympatisch und an allem interessiert. Entlang der Strecke ab Bonn bewundern sie die Burgen und Schlösser, kleinen Dörfchen, Fachwerkhäuser.
Dann fragen sie sich: “Welcher Fluss is’n das hier eigentlich?”
Ich will hier nicht den Besserwisser raushängen lassen, möchte, dass sie selber auf die Lösung kommen und antworte daher mit einer Gegenfrage: „Hm, weiß auch nicht. Vielleicht die Donau?“
„Sehr, sehr schön!“, die Reaktion.
„Ne, war nur Scheiß, das ist natürlich der Rhein.“, meine Antwort.
„Ach so.“, kommt es etwas verunsichert zurück.
Als der Ältere von uns, erwacht nun der Bildungsauftrag in mir:”Bei Koblenz mündet die Mosel in den Rhein.”
“Die Mooosel, ja ne is klaar.”
Dann murmelt er noch was von “die Erde ist eine Scheibe und die Renten sind sicher….”.
Spätestens jetzt ist mir klar geworden, dass aus mir kein Lehrer mehr wird.