Tschechien lohnt sich – wirklich!

Drosendorf, Österreich

16. Reisetag

948 Kilometer

Mit Wehmut verlasse ich das schöne Tschechien, in dem es noch soviel zu entdecken gäbe. Ich bin durch eine wunderschöne, für den Radler anstrengende Landschaft gefahren mit vielen böhmischen Dörfern, hübschen mittelalterlichen Innenstädten, schmucken Burgen und Schlössern. Überall gibt es ausgezeichnetes Bier und eine sehr gute Küche, meist mit viel Fleisch und allen Arten von Knödeln. Mit Gemüse hat er es allerdings nicht so, der Tscheche. Nur Brechbohnen, die mag er, die bekommt man fast überall. Die Infrastruktur für Reisende ist perfekt, nette Pensionen, Versorgungsmöglichkeiten allerorten. Und ja, man findet leider auch viel Heimisches, was man eigentlich gerne zuhause zurückgelassen hätte, wie Lidl, Netto, Kik und Kaufland. Auch DM und Rossmann helfen mit bekannten Produkten.

Begeistert haben mich die allerorts freundlichen Menschen. Hier ein paar kleine Erlebnisse von vielen.

In Chodovar besteht die junge Dame an der Rezeption darauf, mein Fahrrad im Waschkeller unterzubringen, obwohl ich doch mit einem Platz im bewachten Innenhof mehr als zufrieden war. Auch wenn das Fahrrad einer Reinigung dringend bedurft hätte, war ich doch froh, dass sie es nicht in die Waschmaschine gesteckt haben.

Der Straßenbahnfahrer in Pilsen, der mein Herz hüpfen lies. Das war mir einen eigenen Reisebericht wert.

In Jindřichův Hradec klingele ich an einer Fahrradpension. Nichts passiert. Ein netter Tscheche, der dies offensichtlich beobachtet hat, kommt herbei und ruft kurzerhand die Telefonnummer an, die unter der Klingel angegeben ist. Nach kurzem Gespräch erklärt er mir, dass die Pension die Saisoneröffnung verschoben hat, weil bei diesem Wetter ja doch kein Radfahrer käme. Wir lachen herzlich.

Ich lande also in einer anderen Pension. Dort gibt es einen kleinen Innenhof, in den ich mein Fahrrad stellen kann. Abends esse ich im Restaurant der Pension. Da kommt ein Angestellter und teilt mir mit, dass es in der Nacht schneien werde. Ich müsse mir aber keine Sorgen machen, sie würden das Fahrrad nachher reinholen, wenn das Restaurant zu macht. Und wirklich, morgens steht mein Fahrrad mitten im Restaurant. Wie besorgt alle um meinen fahrbaren Untersatz sind!

Auf der Fahrt nach Slavonice holt mich Milos auf seinem Mountainbike ein. Ein sympathischer Kerl, 53 Jaher alt und fit. Er interessiert sich für meine Tour und so fahren wir einige Kilometer zusammen und quatschen. Er erzählt mir unter anderem von dem tschechischen Kanada, welches wir gerade durchfahren. Als sich unsere Wege wieder trennen, fotografieren wir uns gegenseitig und tauschen Email- Adressen aus.

Und zum Schluss noch etwas, was ich unglaublich gerne mit den Tschechen zusammen erlebt hätte.
Die Tschechen sind ja auf verrückte Art und Weise Eishockey-begeistert. Wenn irgendwo ein Fernseher läuft, ob zum Frühstück oder abends, immer läuft Eishockey. Und sie sind mit Herz und Seele dabei. Da erinnere ich mich, wie es in meiner Jugend zwei Sportereignisse gab, die wir nie verpassen durften, für die wir sogar nachts um drei aufstanden. Nämlich wenn Muhammad Ali boxte und wenn die Tschechen bei Olympia oder bei Weltmeisterschaften als Underdogs gegen die übermächtige Sowjetunion im Eishockey spielten. So ein Spiel, natürlich mit den Tschechien als Sieger, bei tschechischem Bier in einer tschechischen Kneipe mit den Tschechen live erlebt zu haben, das muss unglaublich gewesen sein!

Grüße aus dem nahen Kanada

Drosendorf, Österreich

16. Reisetag

948 Kilometer

Am letzten Tag meines Aufenthaltes in Tschechien warten noch einige Highlights auf mich. Zuerst fahre ich durch das tschechische Kanada. So nennen sie hier die recht dünn besiedelte Gegend im Süden der Republik. Und in der Tat, man kommt sich sofort nach Kanada versetzt vor. Weitläufige Landschaft, viel Wald, viel Schnee! Nicht mehr bergig, sondern sanft hügelig, schön zum Radfahren.

Dann kommt Slavonice. Der Loneley Planet Reiseführer meint zu Recht, jedes Land würde sich glücklich schätzen, so eine Stadt zu besitzen. Hier wird man direkt ins Mittelalter, in die Renaissance, gebeamt. Unglücklicherweise befindet sich diese Perle in einem etwas vernachlässigten Zustand, wahrscheinlich weil sie im touristisch nicht erschlossenen Grenzgebiet angesiedelt ist. Wirklich schade. Einen Besuch ist dieser Ort auf jedem Fall wert, einen Aufenthalt über Nacht habe ich mir aber dann doch erspart.

Zum Schluss folgt meine Route noch dem ehemaligen Eisernen Vorhang. Immer wieder ergreifend, sich an solch geschichtsträchtigen Orten zu bewegen. Vor nicht allzu langer Zeit noch undurchdringlich, heute biegt man mal eben kurz ab und schon ist man in Österreich.

Eigentlich hatte ich Österreich ja gar nicht auf meiner Reiseroute. Mein Plan war, von Tschechien direkt in die Slovakei einzureisen. Doch auf der Suche nach einer Unterkunft, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, diese Grenze mal zu überqueren. Und so verlasse ich plötzlich und ungeplant Tschechien, ohne mich so richtig von den mir ans Herz gewachsenen Tschechien verabschiedet zu haben. Da bin ich schon etwas traurig.

Bimmelbammel

Milevsko, Tschechien

13. Reisetag

791 Kilometer

Im Ranking der nettesten Berufsfahrzeugführer liegen bei Gaby und mir unzweifelhaft die Iren ganz vorn. Witzige und singende Taxifahrer, sowie ausnehmend freundliche und hilfsbereite Dubliner Busfahrer sind schwer zu toppen.
Im Ranking um den liebenswürdigsten Straßenbahnfahrer werfe ich hiermit einen Tschechen ins Rennen.
Aus Pilsen heraus fahre ich auf einer größeren Ausfallstraße. Hier fährt die Straßenbahn nicht in der Straßenmitte, sondern am Rand, sozusagen direkt neben dem Bürgersteig. Um dem Autoverkehr zu entgehen, nutze ich kurzerhand diese Straßenbahntrasse für meine Fahrt. Plötzlich klingelt es hinter mir. Unbemerkt hat sich eine Straßenbahn genähert und verlangt nun ihr Wegerecht. Schnell strecke ich meine rechte Hand aus und nehme die nächste “Ausfahrt” auf den Bürgersteig. Schuldbewußt und entschuldigend schaue ich den Fahrer an, als er mich überholt. Der aber lächelt nur herzlich und nickt mir freundlich winkend zu. Und um noch eins draufzusetzen, drückt er auf einen Knopf und läßt seine alte Bahn für mich aufmuntert bimmeln. Ist das nicht schön?
Mein Herz hüpft.

Das Vier-Generationen-Café

Pilsen, Tschechien

12. Reisetag

696 Kilometer

In Stribro kehre ich mittags im modernen Café Orange ein. Es hat eine Spielecke, in der sich ein Kind vergnügt und hinter der Theke stehen drei Damen, alle ca. 20 bis 25 Jahre auseinander. Die “mittlere” Dame scheint bemerkt zu haben, wie es in meinem Kopf werkelt und sagt ohne Umschweife: “Kind, Mutter, Oma, Ur-Oma”, wobei sie jeweils auf die Vertreter der zugehörigen Generation zeigt. Find ich lustig, wo gibt es bei uns noch sowas, ein Vier-Generationen- Café?

Ich bestelle was zu essen und ein Bier. Oma hat natürlich mitbekommen, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und – offensichtlich besorgt ob meiner Fahrtüchtigkeit – gibt sie folgendes zu bedenken. Sie hat zwei Sorten Bier, Pilsener und Budweiser, was auch sonst in dieser Gegend? Das eine hat 11 Prozent, das andere 12 Prozent Alkohol. Ob ich das wirklich will? Nein Omi, du hast ja recht, ich lehne dankend ab. Also nur was zu essen.

Plötzlich gerät alles in Aufruhr. Der Kleine setzt meinen Helm auf, Mutti versucht erfolglos, ihn davon abzuhalten, Omi rennt erstaunlich schnell aus dem Laden und Ur-Oma kümmert sich um das Essen. Einige Minuten später ist Oma wieder da und hält stolz eine Pulle Bier in die Luft. “Kein Alkohol!”, jubelt sie und stellt es mir auf den Tisch. Damit der Junge auch was zu trinken hat. Keine Ahnung, wo sie das organisiert hat, ich war jedenfalls gerührt.

Zum Dank durfte der Kurze mit meinem Helm auch Fußball spielen.

Vier Stunden nicht duschen!

Chodová Planá, Tschechien

10. Reisetag

633 Kilometer

Nun also zum ersten mal in Tschechien. Leider nur auf der Durchreise und lediglich für eine Woche. Da frage ich mich natürlich, was ich mir so ansehen soll.
Ganz oben rangiert Prag. Muss man gesehen haben. Aber solo und mit dem Fahrrad sind solche Stadtbesichtigungen meist nicht sehr erquicklich und so spare ich mir diese interessante Stadt für ein schönes verlängertes Wochenende mit Gaby auf.

Als nächstes auf der “must see” Liste stehen die alten Kurbäder Karlsbad und Marienbad, die auch interessant sein sollen. Alte Bekannte wie Thomas Edison, König Edward VII, Franz Kafka und Goethe waren schließlich auch schon da.
Also, ICH und Goethe, das würde ja passen…
Gegen einen Besuch spricht, dass die Bäder bereits fest in russischer und saudischer Hand sind und nach gepimpten Russinnen steht mir nun wirklich nicht der Sinn.

Einige meiner geneigten Leser wissen ja bereits, oder zumindest ahnen sie es, dass ich ein großer Kunstliebhaber bin! Und hier in Böhmen hat sich über Jahrhunderte eine ganz besonders hoch entwickelte Kunst etabliert, die genauer in Augenschein genommen werden will. Kleine Nachhilfe für Nichtpromovierte unter uns, so wie Gutenberg, Schavan oder meine Wenigkeit: Worauf deuten Städtenamen wie Pilsen oder Budweiser hin?
Um mich dieser Kunstform auf eine sehr sinnliche Weise zu nähern, werde ich einen Selbstversuch unternehmen. Aber nicht, was ihr schon wieder denkt! Nein, ich will das Bier nicht trinken, ich werde darin baden!
Den Termin habe ich für 11:00 morgens ausgemacht. Zusammen mit fünf anderen Kunstinteressierten betrete ich das Bad in einem schönen Gewölbekeller. Mich wundert ein wenig, dass es hier eine Theke gibt, an der Bier gezapft wird. Man zieht sich komplett aus. Anschließend geht es zu den bereits gefüllten großen Badewannen, die mit Vorhängen voneinander getrennt sind. Die Flüssigkeit, altbierfarben und mit einem Schaum drauf, wie man ihn vom Gären in den großen Fässern kennt. Unzweifelhaft Bier, ein spezielles Badebier, dass sie hier extra zu diesem Zweck brauen. Die netten tschechischen Bierbademeisterinnen geben nun das Kommando zum Wanneneinstieg. Es ist sehr angenehm. Erst jetzt bemerke ich das schöne frischgezapfte Bier neben mir. Herrlich! Was will Mann mehr? Außen und innen feinstes Bier. Zwanzig Minuten wird so bei angenehmer Musik entspannt, dann wird man von einer wirklich sehr netten BBM in ein Tuch gehüllt und zum Ruheraum geführt. Sie packt einen warm ein und verweist auf das frischgezapfte, herrliche Bier neben der Liege. Leute, so läßt’s sich leben! Nach weiteren zwanzig Minuten ist dann alles vorbei. Man bekommt noch den Hinweis “Vier Stunden nicht duschen!” und ich denke mir “Nach dem guten Frühstück, dem heißen Bad und zwei Vormittagsbier sollte ich erstmal vier Stunden schlafen.”
So, was bringt nun das Ganze? Der Prospekt verspricht “geistige Erholung und verjüngende Wirkung.” Geistige Erholung, na ja, vielleicht. Aber das mit der Verjüngung ist natürlich Quatsch.
Moment mal? Ich spüre da plötzlich was….
Ej, ihr Opfer, checkt mal meinen krassen Blog aus. Die Tour bisher voll Porno. Ne Menge übler Grufties unterwegs, die einen dauernd dumm anlabern. Voll die Grütze.
Bin gespannt, wie lange die Wirkung anhält.