Kappadokien und die fotogenen Musliminnen Anatoliens

Kappadokien, Türkei

62. Reisetag

3658 Kilometer

Gaby /Gastautorin:
“Reisen heißt entdecken” – und dafür muss man sich auch auf Menschen und Situationen entlang der Reiseroute einlassen – ist aber gar nicht so einfach, denn so manches Mal halten vorgefasste Meinungen oder übertriebene political correctness uns davon ab.

So z.B im anatolischen Gülağaç, wo Andreas und ich zufällig am Markttag vorbeikommen – und was für ein Markt: Hier gibt es alles von Obst und Gemüse über Käse und Oliven, lebende Hühner, Saatgut und Setzlinge, Haushaltswaren, Textilien und Schuhe bis hin zu Simit und Çay zur Stärkung beim Shopping. Doch trotz all dieser Vielfalt und der vielen Marktbesucherinnen und -besucher, modern oder traditionell gekleidet, fallen wir Zwei ziemlich auf, denn wir sind die einzigen ‘Reisenden’, die an diesem Tag neugierig über den Markt schlendern. Und so erregen auch wir Neugier und freundliches Interesse – eine Mutter versucht gar ihr Kind mit Hinweis auf uns vom Weinen abzulenken. Hat das eigentlich geklappt, Andreas?
Als uns aber zwei Frauen fröhlich lachend ansprechen und Zeichen vor ihren Augen machen, bin ich ziemlich ratlos: Was meinen sie denn? – soll ich meine Sonnenbrille abnehmen? – nein, ich glaube, sie möchten gern fotografiert werden! Und das wäre wahrscheinlich ein schönes Foto geworden, hätte mich vielleicht auch dazustellen können, damit Andreas uns knippsen kann – WENN NICHT die innere Stimme gewarnt hätte: Soll ich so einfach zwei fremde Musliminnen fotografieren? Oder alternativ: Verlangen die zwei, wie das in so mancher Touri-Hochburg (die Gülağaç sicher nicht ist) passiert, danach ein Modelgehalt? Schade, eine verpasste Gelegenheit!

Andreas:
Sowas passiert. Oft weiß man eben auf die Schnelle gar nicht, wie man in einer ungewohnten Situation reagieren soll. Aber es ist ja Zeit genug, Verpasstes nachzuholen. Ich mache einfach mal die Probe aufs Exempel und fotografiere ein paar Musliminnen, natürlich nicht ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen.

Diese junge Frau traf ich in einer Medresse. Sie suchte mit ihrer Freundin offensichtlich einen Hut für ihre Abschlussfeier aus. Alles muss zusammenpassen: Hut, Talar und eben das Kopftuch. Als ich fragte, ob ich sie fotografieren darf, ging sie sofort in Pose, machte den Mantel zu, stellte sich kerzengerade ins Profil und legte ihr Lächeln auf. Zum Abschied sagte sie “Thank you!”.

 

Dieses Pärchen fiel mir auf, weil es in aller Öffentlichkeit schmuste. Sie schien sehr traurig und hatte ihren Kopf auf seine Schultern gelegt. Dazu die Rose in ihrer Hand. Sie unterhielten sich nicht. Steht vielleicht ein Abschied bevor? Aber auch sie lächelte, als ich sie fotografierte, obwohl man sieht, dass es ihr nicht leicht fällt.

 

 

Solche Grüppchen sah ich sehr oft in Sivas. Sie sind zwar sehr traditionell gekleidet, aber ihr Verhalten scheint sich von anderen Jugendlichen hier kaum zu unterscheiden. Ich fand es ulkig, als Eine ihrer Freundin zurief “give me five!” und die Hand zum Abklatschen hob. Sie freuten sich offensichtlich sehr, dass ich sie fotografierte.

 

 

 

In Sivas kann man wohl unter anderem Kunst studieren, denn an einem Tag gab es eine Ausstellung im Freien vor der Buruciye Medresse. Als Dress Code für die Studierenden wurde offensichtlich “unten schwarz, oben weiß” ausgegeben. Eine Studentin trug eine knallenge weiße Bluse, schwarze Leggins, schwarze High Heels mit richtig hohen Absätzen und ein schwarzes Kopftuch. Welch ein Kontrast. Das sehr körperbetonte Outfit und das traditionelle Kopftuch. Leider kam mir die Idee, Musliminnen um Fotos zu bitten, erst später, sodass ich sie nicht geknipst habe.
Wieder eine verpasste Gelegenheit?
Nein, ich habe sie ja gesehen.
Ihr habt sie verpasst.
Ätsch!